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Warum Merkel die Wahl gewonnen hat

Mittwoch 25. September 2013, von Robert Paris

Warum Merkel die Wahl gewonnen hat

Die Bundestagswahl am vergangenen Sonntag hatte viele Besonderheiten. Die FDP, die seit 1949 durchgehend im Bundestag saß, länger als jede andere Partei an der Regierung beteiligt war und unverhohlener als alle anderen die Interessen des Finanzkapitals vertrat, scheiterte an der Fünfprozenthürde.

Die neue Anti-Euro-Partei „Alternative für Deutschland“ (AfD), die erst vor wenigen Monaten gegründet wurde, erzielte auf Anhieb fast ebenso viele Stimmen wie die FDP und verpasste nur knapp den Einzug in den Bundestag.

Doch das Auffallendste war der Wahlsieg der Kanzlerin und ihrer CDU. Die Partei, deren brutale Sparpolitik in vielen europäischen Ländern heftige Proteste und Massendemonstrationen ausgelöst hat, konnte – gemeinsam mit ihrer bayerischen Schwesterpartei CSU – fast acht Prozent zulegen.

Dagegen wurden die Parteien, die als angeblich linke Opposition auftraten, abgestraft. Grüne und Linkspartei verloren deutlich, die Sozialdemokraten erzielten mit 25,7 Prozent trotz minimalem Zugewinn das zweitschlechteste Wahlergebnis der Nachkriegszeit. Der Grund dafür ist nicht schwer zu verstehen. SPD, Grüne und Linke sind weder links noch Opposition.

Die SPD ist eine Partei des Staatsapparats und der Gewerkschaftsbürokratie, die jeden Kontakt zur Bevölkerung verloren hat und ihr mit Arroganz und Überheblichkeit entgegentritt. So wurde sie im Wahlkampf auch wahrgenommen. Der Regierung Merkel warf sie vor, sie habe nicht den Mut, die Kürzungen, die sie Griechenland, Spanien und Portugal aufzwingt, auch der eigenen Bevölkerung zuzumuten. Mit Peer Steinbrück machte sie einen rechten Ministerialbeamten zum Kanzlerkandidaten, der die Rücksichtslosigkeit und Aggressivität des Staatsapparats personifiziert.

Als der ehemalige Innenminister der rot-grünen Bundesregierung Otto Schily im Wahlkampf die Kritik an der Überwachung durch die Geheimdienste als paranoid bezeichnete und erklärte, Law and Order seien schon immer sozialdemokratische Grundwerte gewesen, brachte er das SPD-Programm auf den Punkt.

Als sich die Wahlniederlage der SPD bereits abzeichnete, attackierte Steinbrück die eigene Partei. Er hätte sich gewünscht, dass „seine Partei“ selbstbewusster und konsequenter „die großen Leistungen der Agenda-Politik“ aus der rot-grünen Ära vertreten hätte.

Die Grünen traten im Wahlkampf als Verkörperung des politischen Opportunismus auf. Die ehemaligen Pazifisten gehören heute zu den eifrigsten Befürwortern „humanitärer“ Kriege und strikter Haushaltsdisziplin. Die Partei vereint in ihren Reihen mehrheitlich Akademiker und gehobene Staatsbeamten und fordert mehr politischen Einfluss der intellektuellen Eliten.

Auf die Stimmenverluste reagierten die grünen Spitzenfunktionäre mit einem weiteren politischen Rechtsruck. Als größten Fehler bezeichneten sie ihre Forderung nach einer Steuererhöhung für Reiche. Gleichzeitig drückten Spitzenkandidat Jürgen Trittin und Parteichef Cem Özdemir der Kanzlerin ihre Hochachtung aus und signalisierten die Bereitschaft der Grünen zu einer Koalition mit der Union.

Die verlogenste Rolle im Wahlkampf spielte die Linkspartei. Sie wurde nicht müde, der SPD und den Grünen ihre Zusammenarbeit und Unterstützung anzubieten. Gregor Gysi erklärte, SPD und Grüne könnten ihre Politik am besten im Bündnis mit der Linken verwirklichen, und entlarvte damit das soziale Gerede der Linkspartei als pure Heuchelei.

Steinbrück und Trittin traten als Politiker auf, die die Forderung der Medien und der Wirtschaftsverbände nach „mehr Mut zu unpopulären Maßnahmen“ umsetzen können und wollen, und wurden dabei von der Linkspartei unterstützt. Unter diesen Bedingungen konnte sich Angela Merkel als besonnenere Politikerin darstellen, die das Land „mit ruhiger Hand verantwortungsvoll leitet“, wie sie in der Wahlnacht betonte.

Mit anderen Worten: Der Wahlsieg Merkels ist in erster Linie das Ergebnis des vollständigen politischen Bankrotts der SPD, der Linkspartei und der Grünen.

Die rechte Politik von SPD, Grünen und Linken zeigt sich besonders deutlich in der Außenpolitik. Es wäre nicht das erste Mal in der Geschichte, dass ein scharfer Rechtsschwenk der deutschen Politik über außenpolitische Fragen eingeleitet wird.

Seit geraumer Zeit fordert die US-Regierung eine stärkere Beteiligung Deutschlands an den Kriegen im Mittleren Osten und beklagt, Bundeskanzlerin Merkel nehme zu viel Rücksicht auf die Anti-Kriegsstimmung in der Bevölkerung. Diese Forderung hat Unterstützung in SPD- und Grünen-nahen Medien wie der Zeit und der taz gefunden. Als US-Präsident Obama mit der Bombardierung Syriens drohte, reagierten sie mit einer beispiellosen Kriegspropaganda. Sie verhöhnten das Zögern und die Zurückhaltung der Bundesregierung. Zeit-Herausgeber Josef Joffe wetterte gegen Obamas „Minikrieg“ und verlangte einen „massiven“ Krieg „auf einer nach oben offenen Zeitskala“.

Schließt Merkel, die nach dem Ausscheiden der FDP einen neuen Koalitionspartner braucht, ein Regierungsbündnis mit der SPD, wäre dies ein untrügliches Zeichen für ein aggressiveres militärisches Auftreten Deutschlands. Die SPD, die vor 15 Jahren gemeinsam mit den Grünen den ersten internationalen Kriegseinsatz der Bundeswehr gegen Jugoslawien beschloss, verfügt über die nötige Rücksichtslosigkeit, den Apparat und die bürokratische Arroganz, um sich über die in der Bevölkerung weit verbreitete Opposition gegen Krieg hinwegzusetzen.

Das Programm der kommenden Regierung wird zum einen durch die wachsenden internationalen Spannungen, zum anderen durch die rapide Verschärfung der globalen Wirtschaftskrise bestimmt sein. Schon jetzt fordern die Wirtschaftsverbände im Namen der internationalen Wettbewerbsfähigkeit massiven Sozialabbau.

Bisher hatte die Merkel-Regierung die Wirtschaftskrise zum Teil auf Südeuropa abgewälzt. Nun wird sie gezwungen sein, die soziale Konterrevolution auch im eigenen Land voranzutreiben. Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, gesetzlicher Kündigungsschutz, Anspruch auf Mutterschutz, gesetzliche Sozialversicherung usw. – alles was bisher durch Billiglöhne und prekäre Beschäftigung bereits untergraben wurde, soll nun ganz abgeschafft werden.

Es gibt im offiziellen Parteienspektrum nicht eine einzige Partei, die die Interessen der Bevölkerung auch nur ansatzweise zum Ausdruck brachte. In paradoxer Weise widerspiegelt das Wahlergebnis die extreme Polarisierung der Gesellschaft. Es macht deutlich, dass das politische System jede Fähigkeit verloren hat, die wachsende Opposition gegen soziale Ungleichheit und Krieg auszudrücken und auszutarieren.

In den Medien werden die Kanzlerin als politisches Genie und die Stimmengewinne der Union als Beginn der „Ära des Merkelismus“ (Süddeutsche Zeitung) gefeiert. Doch was oberflächlich nach Stabilität aussieht, ist in Wahrheit das Ergebnis einer tiefen Entfremdung zwischen politischem System und Bevölkerung und leitet eine Periode politischer Instabilität und heftiger sozialer Konflikte ein.

Die Arbeiterklasse muss sich auf massive Angriffe vorbereiten.

Darin bestand die politische Bedeutung der Wahlteilnahme der Partei für Soziale Gleichheit. Die PSG hat als einzige Partei die grundlegenden Probleme, vor denen die Arbeiterklasse steht, direkt angesprochen. Sie hat betont, dass kein einziges gesellschaftliches Problem gelöst werden kann, ohne die Diktatur der Banken zu brechen, dass dazu eine unabhängige Bewegung der Arbeiterklasse erforderlich ist und dass dies einen politischen Bruch mit der Linkspartei und den Gewerkschaften nötig macht.

Das erfordert den Aufbau der PSG, der deutschen Sektion der Vierten Internationale, zu einer neuen Arbeiterpartei, die sich auf die politischen Lehren der vergangenen Klassenkämpfe stützt und für ein internationales sozialistisches Programm kämpft.

Ulrich Rippert

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