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Griechische Regierung geht gegen Faschisten vor

Donnerstag 3. Oktober 2013, von Robert Paris

Griechische Regierung geht gegen Faschisten vor

Von Christoph Dreier

Die griechische Regierung ist am Wochenende in einer konzertierten Aktion gegen führende Mitglieder der faschistischen Partei Chrysi Avgi vorgegangen. Es handelt sich um das erste umfassende Vorgehen gegen eine politische Partei seit dem Ende der Obristendiktatur 1974.

Am Samstag wurden 18 führende Mitglieder der Chrysi Avgi verhaftet und wegen der Bildung einer kriminellen Vereinigung angeklagt, unter ihnen der Vorsitzende der Partei, Nikos Michaloliakos. Bei einer Razzia in seinem Haus wurden drei illegale Schusswaffen sowie 40.000 Euro in bar beschlagnahmt. Zudem wurden etwa 30 einfache Mitglieder festgenommen.

Die Anklage folgte auf den Mord an dem antifaschistischen Hip-Hop Musiker Pavlos Fyssas durch einen Schläger der Chrysi Avgi. In der vergangenen Woche sind bereits zwei hochrangige Polizeioffiziere wegen ihrer Zusammenarbeit mit den Faschisten zurückgetreten, weitere wurden bis auf Weiteres vom Dienst suspendiert oder versetzt. Am Samstag wurde außerdem ein Gesetz verabschiedet, dass Parteien, gegen deren Abgeordnete Strafverfahren laufen, die finanzielle Unterstützung durch den Staat entzieht.

Die 18 Abgeordneten der Chrysi Avgi haben damit gedroht, gemeinsam zurückzutreten, was Neuwahlen in den jeweiligen Wahlkreisen zur Folge hätte und die Situation weiter destabilisieren könnte. Vor den Büros der Partei versammelten sich hunderte Anhänger der Partei, um gegen die Razzia zu protestieren. Der gut vernetzte Reservistenverband griechischer Elitesoldaten (KEED) hatte bereits am Mittwoch zu einem Militärputsch aufgerufen und sich implizit mit den Faschisten solidarisiert.

Die Aktion gegen Chrysi Avgi findet inmitten einer tiefen politischen Krise statt. Die Regierung hat immer größere Schwierigkeiten, die von der EU diktierten Kürzungen und Massenentlassungen gegen den Widerstand der Bevölkerung durchzusetzen.

Täglich demonstrieren Tausende gegen den faschistischen Terror und soziale Angriffe. Neun Universitäten haben geschlossen, um gegen die Streichung von 37 Prozent des Verwaltungspersonals zu protestieren. 200 Schulen werden von ihren Schülern besetzt gehalten. Immer öfter sind die Gewerkschaften nicht mehr in der Lage, Streiks zu begrenzen und auszuverkaufen.

Am Samstag berichtete die griechische Tageszeitung Kathimerini, dass die Mehrheit der griechischen Bürgermeister sich weigern, ihre Haushaltspläne an die Zentralregierung zu schicken. Dies schreibt ihnen ein neues Gesetz vor, damit die Regierung die Kürzungen direkt überwachen kann.

Nun ist die Troika aus Europäischer Zentralbank (EZB), EU-Kommission und Internationalem Währungsfonds (IWF) zurück in Athen und fordert weitere Sparmaßnahmen und Entlassungen. In den herrschenden Kreisen wachsen die Befürchtungen, dass die soziale Konfrontation wie in Ägypten zu Massenaufständen und einer Revolution führen wird.

Unter diesen Bedingungen wachsen die Differenzen in der herrschenden Elite darüber, ob die Aktivitäten von Chrysi Avgi eingedämmt werden sollen, um die Lage zu beruhigen. Teile der Armee und der Polizei diskutieren über einen Militärputsch. Sie haben Chrysi Avgi in den letzten fünf Jahren als Vorhut im Kampf gegen die Arbeiterklasse finanziert und aufgebaut.

Andere Teile fürchten zum gegenwärtigen Zeitpunkt eine Destabilisierung der Lage durch den offenen Einsatz der Faschisten. Die Massenproteste nach dem Mord an Fyssas haben ihnen vor Augen geführt, dass eine zu offene Kollaboration mit Chrysi Avgi die sozialen Kämpfe weiter anheizt.

Deshalb hat die Regierung beschlossen, Chrysi Avgi zu „zügeln“, wie es Sicherheitsminister Nikos Dendias (Nea Dimokratia, ND) ausdrückte. Einige führende Köpfe werden zumindest zeitweise hinter Gitter gebracht, einige Beamte ausgetauscht, aber die braunen Netzwerke im Staatsapparat, die oft bis zur Obristendiktatur zurückreichen, bleiben bestehen.

Mit der Verteidigung der Demokratie haben diese Manöver nicht das Geringste zu tun. Ganz im Gegenteil gibt das staatliche Vorgehen gegen Chrysi Avgi und ein mögliches Verbot der Partei dem Staatsapparat neue Möglichkeiten, gegen die soziale Opposition der Arbeiterklasse vorzugehen.

In den letzten Wochen wurden mehrfach antifaschistische Demonstrationen von Polizisten brutal angegriffen oder verboten. Vertreter der regierenden ND werden nicht müde zu betonen, dass sich das staatliche Vorgehen gegen „beide Extreme“ richten, also auch linke Organisationen betreffen müsse.

Im Einsatz staatlicher Unterdrückungsmaßnahmen gegen den sozialen Widerstand der Arbeiter ist sich die herrschende Klasse einig. Streikende Arbeiter sind in diesem Jahr bereits drei Mal unter Kriegsrecht gestellt und mit Polizeigewalt zurück an die Arbeit gezwungen worden. Versammlungsverbote und Angriffe auf Demonstrationen sind an der Tagesordnung.

Eine zentrale Rolle bei der Stabilisierung der Lage und der Verteidigung der sozialen Angriffe spielt die größte Oppositionspartei, die Koalition der Radikalen Linken (SYRIZA). Die Partei unterstützt die Europäische Union und spricht sich für eine Neuverhandlung der Kreditvereinbarungen aus.

Auf das staatliche Vorgehen gegen Chrysi Avgi hat die Partei reagiert, indem sie sich voll hinter den Staatsapparat und die Regierung gestellt hat. In einem Interview mit dem Fernsehsender Skai pries ihr Vorsitzender Alexis Tsipras die Polizei, die eng mit Chrysi Avgi verbunden ist, als demokratische Kraft.

„Das Eingreifen zeigt, dass unsere Demokratie standhält, dass sie gesund ist“, sagte er „Auch wenn einige versuchen, uns wieder in die sechziger Jahre zurückzuversetzen, gibt es Widerstände, die das verhindern.“

Tsipras wiederholte auch seinen Appell an die Nea Dimokratia, sich mit SYRIZA an einen Tisch zu setzen, um ein gemeinsames Vorgehen gegen Chrysi Avgi zu besprechen. Schon früher hatte sich die Partei als Garant für Stabilität dargestellt und signalisiert, dass sie bereit sei, selbst die Regierung zu übernehmen, um die Spardiktate durchzusetzen. Eine Regierung unter Einschluss SYRIZAs würde die sozialen Angriffe fortführen und sie mit staatlicher Gewalt gegen die Arbeiter durchsetzen. Sie wäre ein Übergangsstadium zu einem offen diktatorischen Regime.

Um ihre sozialen und demokratischen Rechte verteidigen zu können, müssen Arbeiter unabhängig von all den bürgerlichen Kräften und dem Staatsapparat ins politische Geschehen eingreifen. Sie müssen die Faschisten ebenso wie die Angriffe der Regierung mit ihren eigenen Mitteln bekämpfen. Es müssen unabhängige Selbstverteidigungskomitees gebildet und ein Generalstreik vorbereitet werden.

Das erfordert vor allem die politische Unabhängigkeit der Arbeiter von allen bürgerlichen Parteien und Politikern, einschließlich pseudolinker Tendenzen wie SYRIZA, die alles daran setzen, die Arbeiter zu entwaffnen und dem Staat sowie den politischen Vertretern der herrschenden Klasse unterzuordnen.

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